In der zu Amtsgeschäften reservierten Stube des Gasthofs "Schwarzer Oger" in Schwarze Au, Urkentrutz, Efferd 1033 BF

"Aber, Herr, ich verstehe das nicht. Zwanzig Familien haben wir gezählt, und es sind bestimmt nicht weniger Häuser und Solden. Zwanzig Familien, jede zu sechs Menschen. Aber ihr tragt nur ein Gros Untertanen in die Liste. Gerade einmal die Hälfte."

"Lern Rechnen, Bub", schimpft der Schultheiss. "Deutlich mehr als die Hälfte. Und dann lern entweder Denken oder Schweigen. In Schwarze Au hat immer nur ein Gros gewohnt, und die Baronin erwartet auch nicht mehr Steuern. Was soll ihr sagen - dass seit Borborad auf einmal die Hälfte mehr hier wohnt?"

"Ja aber wenns doch so ist."

"Und wo sind dann die zusätzlichen Steuern der letzen Zehn Jahre, Schultheiss? Das wird sie mich fragen. Was meinst Du, was das für einen Ärger gibt. Für mich, und eines Tages für dich."

"Für mich?", fragte der junge Beamte verwirrt.

"Hesinde wirfs herab! Natürlich für dich. Du wirst doch der nächste Schultheiss für Urkentrutz sein, in.. naja, irgendwann halt. Willst Du auf die Taler aus Schwarze Au verzichten? Und aus Urken, Oberwaldig, Neudorf?"

"Ja aber sind denn dort auch zu viele Bürger?"

"Überall das gleiche", grunzte der Schultheiss und kratze seine gewaltige Wampe. "Schwere Zeiten da im Osten, hab ich gehört. Kommen die Tobrier eben alle hier her."

Sein Gehilfe warf einen Blick auf die Steuerliste mit den ordentlichen Zahlenreihen für die verschiedenen Weiler und Dörfer der Baronie. Er sah den Zensus auf einmal mit anderen Augen. In seinem Herzen griffen Praios und Phex zu den Waffen, um einmal mehr ihren nie enden wollenden Streit um die Seele eines Menschen auszufechten. Doch in der dunklen Gaststube merkte man nichts davon. Nur das eifrige Kratzen der Feder auf der Pergamentrolle war zu hören, und draußen, in der Ferne, das Kläffen eines hungrigen Köters.

-mh-